Steuer für Immobilien in Polen: Interview mit Steuerexperten von RSM Poland

Steuer bei Immobilien: Bekomme ich die VAT beim Kauf von Neubauimmobilien in Polen erstattet?
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Experten-Interview, 24.02.2020

Steuer für Immobilien in Polen – Experteninterview mit Steuerberater Przemysław POWIERZA, RSM POLAND

Wer eine oder mehrere Immobilien in Polen kaufen möchte, wird sich früher oder später mit einem wichtigen Punkt beschäftigen: der Steuer. Immobilien in Polen können von einigen Steuerarten betroffen sein wie z. B. der Umsatzsteuer (VAT), die Steuer auf zivilrechtliche Transaktionen (vergleichbar mit der Grunderwerbsteuer), Schenkungssteuer, die jährliche Grundsteuer oder die Spekulationssteuer. Um Ihnen einen allgemeinen Einstieg in die steuerlichen Themen für Immobilien in Polen zu verschaffen, hat Immobilienmakler David Lis ein Interview mit einer renommierten Wirtschaftsprüfungs- und Steuerberatungsgesellschaft durchgeführt, RSM Poland. RSM Poland ist in Polen das zehntgrößte Wirtschaftsprüfungsunternehmen* und das erfolgreichste Steuerberatungsunternehmen**. Im Laufe des Jahres prüft RSM Aktiva mit dem Wert von mehr als 2,5 Mrd. Euro, verbucht mehr als 200.000 Rechnungen, erstellt Lohn- und Gehaltslisten für fast 50.000 Personen und fertigt ca. 12.000 Steuererklärungen an.

Bekomme ich die MwSt. beim Kauf von Neubauimmobilien? Wie hoch sind die Steuer bei Vermietung von Immobilien in Polen?

Immobilienexperte David Lis: Herr Powierza, Sie sind Tax-Partner und Steuerberater bei RSM in Poznan. Vielen Dank, dass Sie sich für das Interview Zeit genommen haben. Ich bin der Meinung, dass jedem deutschen Käufer einer Immobilie in Polen die steuerlichen Grundlagen bekannt sein sollten.

RSM Steuerexperte Przemysław Powierza: gerne Herr Lis.

Immobilienexperte David Lis: Ich komme direkt zu meiner ersten steuerlichen Frage zum Immobilienkauf in Polen. Viele meiner Maklerkollegen werben in ihren Inseraten, dass (deutsche) Immobilienkäufer beim Kauf von Neubauimmobilien – speziell an der polnischen Ostsee – die MwSt. bzw. VAT von 23 % vom polnischen Finanzamt erstattet bekommt. Ist das tatsächlich so einfach und vor allem so „selbstverständlich“ wie es viele versprechen?

RSM Steuerexperte Przemysław Powierza: Theorie ist immer schön, Praxis schon weniger schön – auf jeden Fall nicht so einfach. Vor allem muss man hier deutlich machen, dass es sich nicht um klassische Erstattung der Mehrwertsteuer handelt, wie die Privatpersonen dies beim Einkaufen im Ausland kennen. Hier ist es vielmehr das Recht auf Vorsteuerabzug gemeint, welches mit der Geschäftstätigkeit im Bereich der Vermietung und Verpachtung von Immobilien in Polen zusammenhängt. Man muss also zunächst Kaufmann in Polen werden und eine Geschäftstätigkeit im Bereich der Vermietung andauernd führen. Das erzwingt wiederum einige Formalien wie z. B steuerliche Registrierung, Rechnungsstellung gemäß lokalen polnischen Regelungen, notwendige (wenn auch stark eingeschränkte) Buchhaltung und Steuerabrechnung. Volle Erstattung der Mehrwertsteuer (VAT) wäre nur dann erreichbar, wenn die Vermietung über mindestens 10 Jahr hinweg dauert.

Immobilienexperte David Lis: Muss ich eine Firma in Polen gründen, um die Erstattung zu bekommen?

RSM Steuerexperte Przemysław Powierza: Nein, das geht auch als Privatperson. Alles hängt von dem Umfang des Geschäfts ab – kann dieses nicht mehr als „private Vermögensverwaltung“ angesehen werden, so müsste man ein Gewerbe anmelden lassen.

Immobilienexperte David Lis: Kann ich all die von Ihnen angesprochenen steuerlichen Formalien selbst erledigen?

RSM Steuerexperte Przemysław Powierza: Es gibt zwar bereits Gemeinde- und Finanzämter in den zu Deutschland angrenzenden Kommunen, wo man auch deutschsprachige Beamten treffen kann, immerhin ist es aber sehr selten der Fall. Zudem kommt noch die Notwendigkeit, manchmal wirklich recht komplexe Steuervorschriften im Griff zu behalten, wodurch auch polnische Staatsbürger diese Themen lieber Experten überlassen. Beherrscht man die polnische Sprache nur geringfügig oder gar nicht, so empfiehlt es sich doch ein deutschsprachiges Beraterteam zu engagieren – selbst wenn es etwas mehr Kosten mit sich bringt. Längerfristig wird sich das sowieso lohnen, da man dadurch Zeit spart und sich einfach Ruhe kauft.

Immobilienexperte David Lis: Angenommen, ich kaufe eine Neubauimmobilie in Swinemünde, die erst in einem Jahr oder später fertiggestellt wird – wann bekomme ich für die gekaufte Immobilie in Polen die Steuer d. h. MwSt. (23 % VAT) erstattet?

RSM Steuerexperte Przemysław Powierza: Sofern man die grundlegende Bedingung erfüllt, dass man selbst besteuerte Umsätze ausführt (also die Immobilien gegen Miete inkl. Mehrwertsteuer vermietet), darf man die Erstattung der Mehrwertsteuer schon nach dem Abschluss der ersten Abrechnungsperiode (es ist grundsätzlich ein Monat) beantragen. Bei größeren Erstattungsbeträgen (und bei Immobilien ist es regelmäßig der Fall) muss man aber zugleich mit der genaueren Prüfung des Finanzamtes rechnen. Somit landet das Geld auf dem Bankkonto des Antragstellers in der Praxis nach ungefähr 2-3 Monaten (bei Neubau mit Fertigstellung in Zukunft ca. 180 Tage). Als registrierter Unternehmer wird man als „inländischer Steuerpflichtiger“ behandelt – das hat zur Folge, dass für Zwecke der Erstattung ein polnisches Bankkonto (d.h. Bankkonto bei einer polnischen Bank oder ein Bankkonto bei einer polnischen Niederlassung einer ausländischen Bank) notwendig ist. In einigen Fällen wie zum Beispiel bei Neubauimmobilien, welche noch einige Zeit dauern, wäre auch die Erstattung noch in der Vorbereitungsphase des Vermietungsgeschäfts denkbar (je nach Zahlungsplan der zu begleichenden Bauträgerrechnungen). Man muss aber zusammen mit dem Erstattungsantrag die vorbereitenden Maßnahmen dem Finanzamt nachweisen und die verlängerte Frist von 180 Tagen (welche u.U. noch verlängert werden kann – zwecks Nachprüfung) ab der Antragstellung in Kauf nehmen.

Immobilienexperte David Lis: Wie sieht das konkret in Zahlen ausgedrückt aus? Angenommen, ich kaufe eine Neubauimmobilie für 1,2 Mio. PLN (Zloty) inkl. 23 % MwSt., dann zahle ich unter Erfüllung aller Bedingungen effektiv nur den Nettokaufpreis von 924.000 PLN (Zloty). Das wäre ja eine Ersparnis von 276.000 PLN, umgerechnet ca. 65.000 EUR?!

RSM Steuerexperte Przemysław Powierza: Ja, es ist richtig, obwohl man mit dem Wort „Ersparnis“ eher vorsichtig umgehen soll. Das Mehrwertsteuersystem funktioniert einfach so, dass die Steuer durch die Endverbraucher getragen wird. Dies hat zur Folge, dass ich keine Mehrwertsteuer zahle, solange ich als Unternehmer und kein Endverbraucher angesehen werden kann. Falls also die Immobilie ausschließlich für Vermietung gedacht und tatsächlich genutzt wird, zahle ich keine Steuer auf Konsumausgaben – diese wird nämlich durch meine Mieter finanziert. Entscheide ich mich dagegen das Häuschen an der Ostsee gelegentlich auch privat zu nutzen – so müsste ich die Mehrwertsteuer anteilig auch bezahlen und die Erstattung entsprechend einschränken.

Immobilienexperte David Lis: Manchmal können Immobilienkäufer gegen Aufpreis eingerichtete Neubauimmobilien kaufen d. h. mit der kompletten Innenausstattung (Möbel, Badezimmer, Elektrogeräte usw.). Bekomme ich dafür grundsätzlich auch die MwSt. (VAT) erstattet?

RSM Steuerexperte Przemysław Powierza: Natürlich. Sofern die ganze Ausstattung auch ausschließlich für Vermietungszwecke genutzt wird – der Anspruch auf Erstattung (bzw. Abzug) bleibt bestehen.

Immobilienexperte David Lis: Was passiert, wenn ich meine Immobilie in Polen aus unerwarteten Gründen vor Ablauf der 10-jährigen Frist verkaufen muss? Muss ich die erhaltene Mehrwertsteuer für die Immobilie in Polen zurückzahlen?

RSM Steuerexperte Przemysław Powierza: Das Vorsteuerabzugsrecht wird bei Immobilien in Polen über 10 Jahre (genauer gesagt über 120 Monate) beobachtet – d.h. falls man innerhalb dieser Periode seine Geschäftstätigkeit abschließt bzw. die Immobilie für steuerbefreite Umsätze zu nutzen beginnt oder diese auch (i.d.R. steuerbefreit) verkauft, so müsste man die bereits erstatte Steuer anteilig an die Finanzverwaltung zurückzahlen.

Immobilienexperte David Lis: Muss ich Einnahmen aus Vermietung meiner Immobilien in Polen in Deutschland oder in Polen abführen? Wie hoch sind die Steuersätze in Polen für Immobilienvermietungen?

RSM Steuerexperte Przemysław Powierza: Einkommensteuer aus Vermietung (oder Verpachtung) der Immobilien wird grundsätzlich in dem Staat erhoben, in welchem sich die Immobilie befindet, demnach Polen. Diese Regelung ergibt sich direkt aus dem deutsch-polnischen Doppelbesteuerungsabkommen. Folglich werden die Einkünfte aus V&V in Polen, demnach durch den polnischen Fiskus erhoben. Es gibt zwei Formen der Steuer: ein progressiver Stufentarif (17 % bis 85.528 PLN Mieteinnahmen und 32 % auf Differenzbetrag über 85.528 PLN) mit der Möglichkeit etwaige Werbungskosten noch abzusetzen oder eine pauschale (ebenfalls progressive) Besteuerung von 8,5 % (für Einnahmen bis 100.000 PLN) bzw. 12,5 % ohne Werbungskostenabzug.

Immobilienexperte David Lis: Ist die Berechnungsgrundlage Warm- oder Kaltmiete?

RSM Steuerexperte Przemysław Powierza: Es kommt auf den individuellen Mietvertrag an. Bei einer kurzfristigen Vermietung von Ferienimmobilien wäre es i.d.R. die Warmmiete.

Immobilienexperte David Lis: Welche Werbungskosten darf ich grundsätzlich bei dem progressiven Stufentarif ansetzen?

RSM Steuerexperte Przemysław Powierza: Wählt man die Besteuerung nach allgemeinen Grundsätzen (progressiver Stufentarif von 17 % (bis 85.528 PLN) und 32 % (über 85.528 PLN), so darf man für die mit der Transaktion zusammenhängende Werbungskosten für diverse Medien und externe Dienstleistungen, sowie z. B. Makler, Notar, Abschreibung der Immobilie usw. ansetzen. Es gibt noch weitere Möglichkeiten, diese müssen aber immer individuell genau geprüft werden.

Immobilienexperte David Lis: In welchen Bereichen können Sie private oder gewerbliche Kunden aus Deutschland bei steuerlichen Themen in Polen unterstützen und wo befinden sich Ihre Niederlassungen?

RSM Steuerexperte Przemysław Powierza: Wir betreuen private und geschäftliche Kunden bei allen steuerlichen Themen – d. h. sowohl in ertragssteuerlichen, als auch in umsatzsteuerlichen Angelegenheiten. Wir unterstützen Sie vollumfänglich seit dem ersten Schritt – d. h. wir kümmern uns um die Registrierung (Anmeldung), führen die notwendigen Aufzeichnungen, Beraten zu optimalen Lösungen und vertreten vor der Finanzverwaltung. Im Rahmen des sog. German Desk sind wir im Stande, dass alles vollständig auf Deutsch abzuwickeln – derzeit an 2 unseren Standorten in Poznan und in Szczecin, künftig auch in Warszawa und in Katowice.

Immobilienexperte David Lis: Herr Powierza, vielen herzlichen Dank für das Interview.

Sie benötigen steuerliche Unterstützung in Polen?

RSM Steuerexperte Przemysław Powierza, Head of German Desk (RSM Poland)

Informationen zum Interviewpartner

Przemysław Powierza ist Tax Partner, Steuerberater und Tax Advisor bei RSM Poland – dem führenden Netzwerk von unabhängigen Wirtschaftsprüfungs- und Steuerberatungsunternehmen mit 810 Niederlassungen in über 120 Ländern. Weiterhin ist er öffentlich bestellter und vereidigter Übersetzer und Dolmetscher für deutsche Sprache (Zul.-Nr.: TP/86/09). Herr Powierza ist Absolvent der Europa-Universität Viadrina in Frankfurt/Oder. Er studierte an der Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät mit Schwerpunkt Steuern und Steueroptimierung. Bei RSM Poland arbeitet er seit 2005.

RSM Poland

Droga Debinska 3b, 61-555 Poznan, Polen
T +48 61 8515 766 | M +48 600 335 610 | E przemyslaw.powierza@rsmpoland.pl | Web www.rsmpoland.pl

Quellenangaben:

*nach dem Ranking der Wirtschaftsprüfungsunternehmen der Tageszeitung Rzeczpospolita vom 18. April 2016)

** nach dem Ranking der Tageszeitung Dziennik Gazeta Prawna vom 13. März 2013.

Rechtlicher Hinweis: Dieses Interview ersetzt keine Rechts- oder Steuerberatung. Bitte wenden Sie sich an Ihren Steuerberater.

  24. Februar 2020
  Kategorie: Allgemein